Da ich den 600er dieses Jahr in Tournai verpasst habe, musste ich mich auf die Suche nach einer Alternative machen und fand diese in Form eines 600ers in Italien, der von Verona zum Reschenpass und wieder zurück führte.
Ich hatte zwar Bedenken wegen der zu bewältigenden Anstiege aber als Belohnung lockten die erfolgreiche Bewältigung der SR-Serie 2010 und dazu noch die Auszeichnung als „International Super Randonneur“. Also musste das irgendwie klappen. Ich bin zur Vorbereitung ein paar Mal im Siebengebirge ein paar Anstiege hoch und runter, das war’s dann aber auch. Ich hatte mich dazu durchringen können mein Gepäck (insbesondere durch Weglassen warmer Kleidung) zu reduzieren. Wenn das mal gut geht ….
Anfahrt
Die Anreise hatte ich so geplant, dass ich morgens am Vortag in Verona ankam. Am Nachmittag regelte ich noch die Anmeldung und legte mich relativ früh schlafen. Im Gegensatz zu den sonstigen Brevets konnte ich tatsächlich schlafen. Evtl. sollte ich es mir zu Regel machen, die 2 Nächte vor einem längeren Brevet nicht zu schlafen.
Die Fahrt vom Hotel zum Start/Ziel im Stadion am Stadtrand von Verona, an welchem die Veranstalter am Vortag die Starterpakete ausgeben und die letzten Anmeldeformalitäten durchführen, wollte ich eigentlich mit dem Rad zurücklegen. Da ich aber nicht wusste inwieweit ich dort mein Rad sicher hätte deponieren können, bin ich mit dem Auto dorthin gefahren.
Wenn ich mit dem Rad gefahren wäre, hätte ich ein Problem bekommen. Während ich mein Starterpaket überreicht bekam, fing es an regnen und stürmen. Die Temperatur fiel von 38 Grad auf 22 Grad Celsius. Während der Rückfahrt konnte ich umfallende Bäume und fliegende Schirme beobachten.
So hatte ich aber kein Problem im geschützten Auto entspannt ins Hotel zu fahren um mich zeitig schlafen zu legen.
Zum Starterpaket gilt noch zu sagen, dass allein die Organisation der Veranstaltung die Startgebühr von 25,-€ aus meiner Sicht gerechtfertigt hätte.
Der Wecker ging um 4:30 Uhr. Um 5:00 Uhr war ich auf dem Rad und auch pünktlich um 5:30 Uhr am Start. Ich hatte mich mit den Temperaturen etwas verschätzt und war etwas zu warm angezogen. Ich nutzte die Gelegenheit und entledigte mich noch meiner dicken Socken und der Jacke. Um 6:00 Uhr bin ich dann regulär gestartet.
Ich fand mich relativ schnell in einer größeren Gruppe wieder, bei dieser blieb ich bis zur ersten Kontrolle.
Garda See
Die von den Veranstaltern ausgewählte Strecke war insgesamt wunderschön. Sie führte auf gut asphaltierten Radwegen aus Verona heraus und anschließend am morgendlich frischen Gardasee entlang. Die erste Kontrolle war nach 100km und einem kleinen Anstieg erreicht. Die Auswahl der Kontrollstellen hätte nicht besser sein können.
Es handelte sich um sogenannte Bike-Treffs, die zumindest was das Nahrungsangebot betraf, alles hatten was das Radlerherz begehrte. Dazu auch die passende Infrastruktur zum Ausruhen und zum Flaschenauffüllen.
Radweg an der Etsch
Nach dem Gardasee ging es fast ausnahmslos auf gut asphaltierten Radwegen hoch zum Reschenpass.
Das einzige Problem war, dass es ohne Unterlass von vorn windete. In Österreich gab es gerade ein Unwetter und die kalte Luft zog als Wind über die Alpen die Berge runter. Von Ortskundigen wurde ich aufgeklärt: „Einen solchen Wind gibt es hier einmal im Monat“. Im Klartext hieß das, dass es am nächsten Tag keinen Rückenwind für mich geben würde — und es kam auch so.
Fischteich
An der letzten Kontrolle vor dem Pass gab es die ersten Begegnungen mit Mitstreitern, die bereits oben waren. Diese hatten nicht wirklich gute Nachrichten für uns. Da oben sei es schweinekalt und es würde heftig regnen, hieß es. Das wurde von den Kollegen natürlich ein klein wenig drastischer ausgedrückt.
Naja, grobe Schätzung war, dass es ca. 5h brauchen wird, für die letzten 50km. Ich hatte mich deshalb von Luciano, der mich auf den letzten 50km begleitet hatte, getrennt; da ich einen kleinen Tick schneller fuhr als er und langsames Bergauffahren führte bei mir auf den letzten Kilometern immer wieder zu starken Krämpfen in den Adduktoren meiner Oberschenkel.
Resia
Gegen 21:00 Uhr bin ich an der Kontrolle Fischteich losgefahren und 0:20 Uhr hatte ich es dann geschafft und bin oben angekommen. Ich war dann also doch was schneller als befürchtet. Kalt war es in der Tat und Regen gab es zum Glück nur ein bisschen. So konnte ich den Anstieg weitestgehend im Licht des Vollmondes „genießen“.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut den Reschenpass hochkommen würde. Ich hatte hier vor Ort in Deutschland kaum Gelegenheit gehabt längere Anstiege zu trainieren. Auch hatte ich im Gegensatz zu meinen ständig wechselnden Mitfahrern das meiste Gepäck dabei. Viele hatten anscheinend den Shuttleservice für das Gepäck in Anspruch genommen.
An der Kontrolle am Pass gab es natürlich zu Essen und Schlafgelegenheiten. Ich zog es vor mir einmal Schnitzel mit Kartoffelsasat zu gönnen und mich auf einer Bank ein Stündchen hin zu legen. Gegen 2:45 Uhr habe ich mich dann auf den Rückweg gemacht. Um mich vor der nächtlichen Kälte zu schützen, hatte ich mich in meine Rettungsdecke eingewickelt, Rainlegs und Aldi-Mini-Regenjacke drübergezogen. Dazu noch meine Arbeitshandschuhe, die ich immer in der Tasche habe sowie die Sealskinz.
So ließ sich die Abfahrt genießen. Der Mond schien immer noch und meine Power-LED war fast überflüssig.
Fischteich
Wieder an der Kontrolle Fischteich wurde ich erstmal bestaunt, als ich mich meiner Sachen entledigte. Ich muss mit meiner Alufolie ausgesehen haben wie eine Forelle, die unbedingt auf den Grill möchte.
Plattfuss
Die weitere Fahrt verlief bis zur letzten Kontrolle eher unspektakulär. Es wurde zusehends wärmer, ich konnte mich meiner Arm- und Beinlinge entledigen und wieder anfangen fleissig zu trinken.
Ich konnte auch Zeit gut machen, da es im wesentlichen bis zur letzten Kontrolle eher bergab als bergauf ging. Danach sollte noch ein 700er auf mich warten.
An der letzten Kontrolle traf ich wieder einige bekannte Gesichter und ich hätte den Gepäckbus nutzen können, der bereit stand um noch die eine oder andere Gepäcktasche aufzunehmen. Das wollte ich dann aber doch nicht. Wenn schon denn schon, dachte ich mir und wollte mich zügig auf den Weg machen. Daraus wurde aber erst einmal nichts, da sich während meiner Standzeit mein Vorderreifen geplättet hatte. Nach dem Flicken bin ich aber schnell weiter. Ich wurde aber von den mir entgegen kommenden Randonneuren darauf hin gewiesen, dass die Brücke über die die Route geführt wurde gesperrt sei. Das nenne ich mal Glück im Unglück. Ich habe so gut und gerne 10 Extrakilometer gemacht. Aber auch mindestens 10 Extrakilometer gespart, die ich noch gemacht hätte, wenn die Jungs mir nicht entgegen gekommen wären.
700hm
Dann kam 80km vor dem Ziel der Anstieg, den ich die ganze Zeit gefürchtet hatte. 500hm verteilt auf 7km bei gefühlten 45 Grad. Während des Anstiegs war so gut wie kein Schatten zu finden. Gott sei dank waren im Roadbook immer wieder Wasserstellen ausgewiesen, so dass ich mir zumindest darum keine Gedanken zu machen brauchte. Der Anstieg raubte mir meine letzten Kräfte.
Selbst die Colapops, die ich mir aufbewahrt hatte und das Energie-Gel, dass ich sonst eigentlich immer nur spazieren fahre haben mich nicht mehr zurückgebracht. Auf der 13%igen Abfahrt, auf ganz schlechtem Asphalt, kam so auch keine Freude mehr auf.
2 * 10%
Zu allem Überdruß kamen zum Ende des Anschnitts noch ein gröberer Anstieg mit 2x 10% auf mich zu. Das war’s dann aber mit der Quälerei.
Ich war noch gut in der Zeit und hielt dann in einem Ort vor Verona nochmal an, um mir in Ruhe eine Pizza nebst Lemonsoda zu genehmigen.
Geschafft
Im Ziel traf ich dann Luciano wieder, der auch gerade angekommen war. Und ich war tatsächlich nicht der Letzte, wie sonst immer. Es trafen immer noch Mitfahrer ein, selbst als ich mich auf den Weg in’s Hotel machte kamen noch welche.
Insgesamt war für mich die Teilnahme an diesem Brevet ein voller Erfolg. Es war zwar sehr amstrengend, ich hatte aber in Gegensatz zum letztjährigen 600er Spaß dabei. Ich hatte Zeit zum Schlafen und auch etwas Puffer nach hinten heraus.